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Im heutigen Beitrag erfährst du, warum extremer Narzissmus im Job dich und dein Unternehmen teuer zu stehen kommt. Ich erzähle dir außerdem, weshalb Narzissten keine guten Führungskräfte sind, warum Boni mehr schaden als nutzen und wie du Narzissmus auf der Arbeit begegnen kannst.

Doch zuerst möchte ich dein Bild von Narzissmus etwas mit der neueren Forschung auffrischen. Achtung, der nächste Absatz könnte an möglicherweise liebgewonnenen Überzeugungen rütteln und dich verärgern! Ich freue mich, wenn du dich mutig darauf einlässt …

Narzissmus als Störung? Narzissmus als Skala!

Narzissten haben bestenfalls unter ihresgleichen einen guten Ruf. Und bei denjenigen, die noch in der Phase der ersten Begeisterung nach dem Kennenlernen stecken. Überall anders gilt Narzissmus als Störung, als etwas Giftiges, das man normalerweise nicht (im Team) haben möchte. Mit purem Narzissmus-Bashing kommen wir nur leider nicht weiter im Miteinander, denn Narzissten sind nun mal da. Und das ist ganz normal. Die Frage lautet also weniger, ob Narzissmus gut oder böse ist, sondern wie man damit umgeht. Folgt man dem Psychiater Craig Malkin, lautet die unbequeme Wahrheit außerdem: Narzissmus geht uns alle an! Weil wir alle im selben Boot sitzen, nur auf unterschiedlichen Plätzen. Narzissmus ist eine höchst menschliche Charaktereigenschaft, die du nach Malkin als Skala von 0-10 betrachten darfst. Denn sie beschreibt das eigene Selbstwertgefühl: Zu wenig davon ist genauso ungesund für dich und andere – als Konsequenz, wie du in einem solchen Fall mit deinen Mitmenschen umgehst –, wie zu viel. Es gilt, eine gesunde Mitte jenseits narzisstischer Nöte anzustreben. Wenn du ein Team leitest, eine Organisation führst, ein Business gründest oder ganz einfach ein Mensch bist, kann ich dir diese gesunde Portion Narzissmus (bei Malkin auf den Stufen 4-6 angesiedelt) nur wärmstens empfehlen!

Über die Details und Anzeichen von extremem Narzissmus habe ich bereits an vielen anderen Stellen geschrieben – lass uns deshalb direkt zum Thema kommen, warum Narzissmus im Job und in der Wirtschaft teuer ist. Wenn ich im weiteren Textverlauf von Narzissmus oder Narzissten spreche, meine ich immer die extreme Variante davon (ab Stufe 7 auf der Malkin-Skala).

Narzissten als großartige Leader?

Das ist vor allen Dingen ein großartiger Irrtum! Narzissten bilden sich ein, dass sie gute Führungskräfte und charismatische Visionäre seien, weil alles andere für sie nicht zu ertragen wäre. Ihr lädierter Selbstwert ist auf Status aus, ihre große abgewehrte Unsicherheit strebt nach Kontrolle. Das tief in ihnen verankerte Schamgefühl ist ihr permanenter Antreiber, erfolgreich zu sein. Status – Kontrolle – Erfolg: Diese Kombination treibt so manchen Narzissten die Karriereleiter rauf. Von der ersten Führungsrolle über das mittlere Management bis in die Konzernvorstände und damit auch gerne mal auf die Titelseiten der Wirtschaftsmagazine. Problem #1: Aus der Abteilung der Normalverdiener mag das aussehen wie Glanz und Gloria und den fatalen Gedanken nähren, dass es zwingend extrem narzisstische Eigenschaften bräuchte, um erfolgreich zu sein, Führungskraft oder Manager zu werden. Problem #2: Tatsächlich endet so mancher egozentrische Karrierist nicht auf der Titelseite, sondern auf der ein oder anderen Stufe in Burnout, Depression oder sogar Suizid. Das Gegenteil ist der Fall: Narzissten sind auf gut Deutsch ganz beschissene Führungskräfte! Sofern wir das nicht an ihren Umsatzzahlen festmachen, sondern der Definition folgen, nach der eine gute Führungskraft ihren Job darin sieht, andere Menschen aufzubauen und besser zu machen. Problem #3: Diese Definition hat es noch nicht in die Hirne und Herzen derjenigen geschafft, die Erfolg ausschließlich in Zahlen messen und für die der Mensch nur ein Mittel zum Zweck ist.

Extremer Narzissmus im Job verbrennt Geld.

Ja, du liegst richtig, das ist ein alter 100-DM-Schein, der da abfackelt! Ich hab dieses Foto in meiner alten Bilddatenbank gefunden. Und weil den Geldschein das Konterfei von Clara Schumann ziert, und weil 8 von 10 meiner von Narzissten betroffenen Kunden Frauen sind, dachte ich, das Bild passt ganz gut …

Beziehung schlägt Bonus, Bonus killt Beziehung

Als Unternehmer oder Führungskraft solltest du dich weniger fragen, was Menschen motiviert, sondern viel mehr, was sie demotiviert. Die Hirnforschung rund um Joachim Bauer lehrt: Es gibt neben der eigenen (intrinsischen) Motivation nur eine einzige Sache, die Menschen wirklich motiviert: Das sind nicht Geld oder Incentives, sondern es sind die gelungenen Beziehungen zu anderen Menschen, privat wie beruflich. Ich denke, wir können diese Erkenntnis zunächst auf Menschen reduzieren, die im gesunden Bereich der Narzissmus-Skala zu verorten sind. Für den wahren Kern extremer Narzissten gilt dies natürlich auch, nur kommen sie an diesen Kern und damit an ihre tiefste Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Verbindung nicht mehr dran. Was es mit Menschen im Narzissmus-Defizit auf sich hat, würde hier den Rahmen sprengen und bietet Stoff für ein eigenes Buch.

Wenn gute Beziehungen Menschen motivieren, solltest du in deiner Firma dafür sorgen, dass du eben solche gesund-narzisstischen Menschen einstellst, damit sich gute Beziehungen entwickeln können. Das ist wichtiger, als dir z.B. Gedanken um das neue Bonus-System zu machen, mit dem du deine Mitarbeiter „belohnst“. Versteh mich nicht falsch, ich habe absolut nichts gegen Geld oder andere Formen von materieller Wertschätzung. Doch speziell Bonus-Systeme können kontraproduktiv wirken – weil sie nun mal Leute anziehen, denen Status, Kontrolle und sichtbarer Erfolg ganz besonders wichtig sind! Diese Leute dürfen wir mal ganz grob im höheren Spektrum der Narzissmus-Skala vermuten. Siehe oben. Das müssen (noch) gar keine Führungskräfte sein. Und dann wirst du folgendes beobachten können: Narzisstische Mitarbeiter tun wirklich alles dafür, um ihr Leckerli zu bekommen. Ihr unbearbeitetes Selbstwertdefizit zwingt sie dazu! Dabei sind ihnen ihre Kollegen schnurzpiepegal; außer, sie sind ihnen nützlich. Das Verhalten solcher Teammitglieder vergiftet die Atmosphäre am Arbeitsplatz. Die psychologische Sicherheit nimmt durch Narzissmus im Job ab. Gute Beziehungen zu egozentrischen Menschen auf Dauer zu führen ist nicht möglich.

Also werden diejenigen demotiviert, die die eigentlichen Top-Leistungsträger deiner Organisation sind: Resiliente Menschen im gesunden Narzissmusspektrum, mit einer guten Selbstfürsorge, die hoch motiviert mit anderen Menschen zusammen ein gemeinsam angestrebtes Ziel erreichen wollen. Statt bei Win-Win zweimal auf sich selbst zu zeigen. Wenn du dein System auf Boni und Incentives aufbaust, erhältst du Menschen, deren Verhalten andere Menschen demotiviert. Du züchtest dir einen Narzissten-Club, in dem Hauen und Stechen herrscht – im Vordergrund oder im Hintergrund.

Weshalb du dir Narzissmus im Job nicht leisten kannst

Es gilt der gute alte Spruch „Menschen kommen zu Unternehmen und verlassen Vorgesetzte“. Manchmal verlassen sie auch narzisstische Kollegen, denen die entweder ahnungslose, hilflose oder aber ähnlich narzisstische Führungskraft keinen Einhalt gebietet. So oder so, wenn Wissens- und Leistungsträger die Nase voll haben und gehen, kommt das Organisationen teuer zu stehen. Oft erkranken sie vor ihrem Ausscheiden noch psychisch und sind über Wochen und Monate hinweg durch narzisstische Manipulation und toxisches Betriebsklima nicht arbeitsfähig. Neue Mitarbeiter müssen – häufig mit großem zeitlichen und finanziellen Aufwand – gefunden und eingearbeitet werden.

Hier kommen ein paar Zahlen dazu:

„Die durchschnittlichen Fluktuationskosten liegen laut Berechnungen von Deloitte bei rund 14.900,- Euro pro Stelle. Mit der Unternehmensgröße steigen auch die Kosten. Betriebe mit weniger als 100 Mitarbeitern zahlen für jede ungewollte Fluktuation im Durchschnitt 13.705,- Euro. Bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern belaufen sich die Gesamtkosten sogar auf 17.159,- Euro.“(1) Andere Quellen sprechen von durchschnittlich 43.000 Euro pro Fall (2). „Wenn ein guter Mitarbeiter kündigt, kostet das das Unternehmen in Summe schnell zwischen 90 und 200 Prozent von seinem Jahresgehalt. Denn die absoluten Kosten der Personalbeschaffung sind horrend, vor allem in Zeiten von Fachkräftemangel.“ (3)

Außerdem gilt: Die Auswirkungen von Narzissmus im Job sind ansteckend! Stell dir ein schimmliges Stück Brot im Brotkorb vor. Der Schimmel breitet sich unsichtbar aus und greift auch diejenigen Stücke an, die äußerlich nicht verschimmelt aussehen. Eine sehr ungesunde Angelegenheit. Ähnlich verhält sich das mit toxischen Charakteren bei der Arbeit. Der grandiose Narzisst wütet offen wie die Axt im Walde, der Verdeckte tut es still und perfide auf der Hinterbühne und ist deshalb wesentlich gefährlicher. Selbst wenn Leute deshalb nicht gleich krank werden oder kündigen, fangen sie an, unerwünschtes Verhalten zu zeigen: Zynismus, Sarkasmus, erlernte Hilflosigkeit, stummer Widerstand, Dienst nach Vorschrift, kalte Konflikte, Misstrauen sowie insgesamt erhöhtes narzisstisches Verhalten kann das geübte Auge erkennen: Auf der Malkin-Skala kann man durchaus im Laufe des Lebens bzw. im Laufe eines Beschäftigungsverhältnisses wandern! Ihr Verhalten ist den betroffenen Personen oft noch nicht mal bewusst. Es hat sich halt im Laufe der Zeit so eingeschlichen. Und natürlich wirkt sich diese Stimmung auch auf die Qualität der Arbeit aus. Im schlimmsten Fall bekommen das auch die Kunden zu spüren. Ich muss das vermutlich nicht weiter ausführen – du wirst verstanden haben, dass High Performance anders geht!

Vorbeugen ist besser als Abfindung zahlen

Oft nisten sich Narzissten über Jahre und Jahrzehnte hinweg in Unternehmen ein. Sie gehen erst, wenn sie zu krank sind (siehe oben) oder entlassen werden. Entlassen werden sie häufig nicht,

  • weil sie mit großem Ehrgeiz Führungspositionen anstreben und dann auch dafür sorgen, dass die Zahlen stimmen. Meist auf Kosten der Leute, die unter ihrem narzisstischen Verhalten zu leiden haben,
  • weil ihre eigenen Führungskräfte Narzissmus nicht erkennen, nicht wahrhaben wollen, sich ohnmächtig sehen oder es ihnen schlicht und ergreifend egal ist, solange es sie nicht persönlich betrifft,
  • weil sie jegliche Verantwortung für Fehler geschickt auf andere abwälzen
  • und weil es bei langjähriger Betriebszugehörigkeit auch einfach zu teuer wird. „In der Praxis einigt man sich oft auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von einer halben Bruttomonatsvergütung pro Beschäftigungsjahr“ (4) und die Opportunitätskosten bzw. die Kollateralschäden einer Weiterbeschäftigung nicht gesehen oder nicht einkalkuliert werden.

Freiwillig gehen Narzissten nur, wenn sie

  • mit ihren Machenschaften nicht weiterkommen,
  • keinen Erfolg haben,
  • sich anderweitig größeren Erfolg versprechen
  • oder durchschaut, entlarvt und in ihrem die Psyche anderer Menschen zerstörenden Verhalten eingebremst werden.

Deshalb tust du als Führungskraft oder HR-Verantwortlicher gut daran, extremen Narzissmus in seinen verschiedenen Spielarten zu erkennen und dich nicht von der Show blenden zu lassen. Stell solche Leute niemals ein, außer du suchst jemanden, der Spaß daran hat, Mitarbeiter zu entlassen. Einen weiteren Grund findest du weiter unten.

Jetzt stell dir vor, du hast einen ganzen Haufen von Narzissten in der Organisation samt der dazu passenden toxischen Unternehmenskultur.
Was passiert, wenn ein richtig guter neuer Kollege dazukommt, ein High Performer mit wunderbarem gesundem Narzissmus? Das, was ich oben über das schimmlige Brot schrieb: Er wird entweder assimiliert oder zerbricht am Widerstand. Menschen passen sich meist systemintelligent an – wir sind und bleiben Herdentiere.

Was du gegen Narzissmus im Job tun kannst

Sofern du extrem narzisstisches Verhalten erkannt hast, die Person bereits eingestellt ist und die Probezeit überstanden hat, solltest du dich selbst und die Menschen schützen, die du zu führen hast und die von dem extremen Charakter manipuliert und gestresst werden. Es gibt von der „Grey-Stone-Taktik“ (sich so unaufällig zu verhalten wie ein grauer Stein) über den Kontakt so weit wie möglich zu reduzieren bis zu Achtsamkeits- und Resilienztraining viele Möglichkeiten, den Umgang mit einem extremen Narzissten halbwegs erträglich zu gestalten. Wertschätzung dessen, was an ihm oder ihr wertgeschätzt werden kann, ist auf jeden Fall sehr wichtig, denn dies ist es ja, was Narzissten neben Aufmerksamkeit am meisten brauchen. Und sie haben nicht nur schlechte Seiten. Die Details dazu findest du im Buch „Die Narzissmus-Bilanz. Vom Schaden und Nutzen toxischer Charaktere in Organisationen“ von Marion Thiel und mir. Einen weiteren und sehr entscheidenden Tipp findest du im nächsten Absatz …

Wie du Narzissten im Job einsetzen solltest

Aus den hier genannten Gründen – Menschen werden wenn überhaupt dann nur durch Menschen motiviert, schlechte Führung führt zu hoher Fluktuation, hohe Fluktuation ist teuer und Narzissmus im System ist ansteckend – darfst du extreme Narzissten kein Team leiten, keine Abteilung führen lassen, nicht in die Geschäftsleitung oder den Vorstand berufen. Sie können jedoch ihre Qualitäten nützlich auf Positionen einsetzen, in denen sie als One-Man/Woman-Show glänzen können, z.B. im provisionsbasierten Vertrieb. Erhalten sie moralisch vertretbare klare Grenzen, geht es allen Beteiligten gut. Um beim Beispiel Vertrieb zu bleiben: dem Narzissten selbst, dem Unternehmen, das durch ihn mehr verkauft, und den Kunden (hier kommt die Grenze ins Spiel, nämlich nicht Abschlüsse erzwingen, nur weil man es kann, und damit Leute über den Tisch zu ziehen!), die erfolgreich angeboten bekommen, was sie auch wirklich brauchen oder was ihnen weiterhilft.

Was kann ich jetzt für dich tun?

  • Wenn ein extremer Narzisst dich selbst, dein Team oder dein Unternehmen belastet, kannst du gerne eine erste Kurzberatung von 30 Minuten mit mir ausmachen. Termine findest du hier.
    • Das Honorar von 60 Euro wird komplett angerechnet, wenn du mich nach diesem Erstgespräch als traumasensibler Coach, für psychologische Beratung, Organisationsberatung, Mediation oder für ein Seminar buchst.
  • Du interessierst dich tiefergehend für Narzissmus im Job und in der Wirtschaft? Dann lies hier weiter …

Fußnoten

(1) https://www.hrm.de/deloitte-umfrage-schlechte-fuehrung-als-hauptgrund-fuer-ungewollte-mitarbeiterfluktuation/

(2) https://www.sage.com/de-de/blog/fluktuationskosten-verstehen-berechnen-und-aktiv-reduzieren/

(3) Ebd.

(4) https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/abfindung-wann-muss-sie-gezahlt-werden_76_411794.html

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