Die einen werden laut und machen öffentlich Theater, die anderen ziehen sich zurück und agieren auf der Hinterbühne. Gemeint sind Konfliktparteien – Menschen oder Menschengruppen, die nicht einer Meinung sind, die unterschiedliche Interessen und Ziele vertreten, die einander möglicherweise bereits verfeindet gegenüberstehen. Die Konfliktforschung unterscheidet die beiden Verhaltens- und Konfliktformen mit den Begriffen heiß und kalt.
Inhaltsverzeichnis
Der heiße Konflikttyp:
Leicht überhitzt doch optimistisch gestimmt, sitzt das Team im Meeting: „Wir kämpfen für die gute Sache, wir sind im Recht, wir erreichen unser Ziel“, so sind sie sich sicher und verkünden ihre Meinung auch lautstark. Völlig normal bei heißen Konflikten: die andere, die ‚gegnerische‘ Abteilung wähnt sich unerkannt, unfair behandelt, ausgebremst – unangenehme Gefühle kochen hoch, die Gruppe sieht sich angegriffen und erhebt ihrerseits die Stimme. Beide Parteien treiben den Konflikt im Verlauf der Zeit durch Übertreibungen, emotionale Ausbrüche oder destruktive Handlungen voran. Wie beim Hahnenkampf wird stolz posiert, lauthals gegackert und öffentlich um sich gehackt. Die Gegenseite hackt zurück, jeder kriegt es mit, Schäden und Kollateralschäden werden in Kauf genommen.
Der kalte Konflikttyp:
Wenn ein Mensch oder eine Gruppe eher introvertiert veranlagt ist, oder wenn die Streitenden in einem lauwarmen Konflikt zu der Überzeugung kommen, durch eine offene Auseinandersetzung nicht zum gewünschten Ergebnis zu kommen, kann der Konflikt erkalten. Im Vordergrund der Aktivitäten steht nun, die Gegenseite so gut wie möglich beim Erreichen ihres eigenen Ziels zu behindern. Die anderen sollen nicht sehen, wie man sich wirklich fühlt – um sich in Sicherheit vor öffentlichem Angriff und in ihren Augen peinlicher emotionaler Exponierung zu bringen, verstecken sich die kalten Konfliktler, ziehen sich zurück und schlucken ihren Ärger, ihren Frust oder ihre Enttäuschung hinunter. Dort gären die Gefühle dann vor sich hin, stauen sich auf, doch einen emotionalen Ausbruch gibt es nicht. Die eigene steigende Aggression wird heimlich ausgetragen, in verdeckten Aktionen, aus dem Hinterhalt. Ein beliebtes Ziel: das Selbstvertrauen der anderen Partei.
Die Unterschiede zwischen heißen und kalten Konflikten nach Friedrich Glasl im Überblick
HEISSER KONFLIKT
Motiviert durch Erreichungsziele
Selbstbild: Stärke, Überheblichkeit
Haltung: „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“
persönliche Gewalt wird eingesetzt
öffentliche Austragungsformen
sichtbare destruktive Energien
emotionale Ausbrüche, ‚Explosionen‘
Anschuldigungen und Beleidigungen
subjektive und objektive Schäden werden sehenden Auges in Kauf genommen
besondere Risiken für Menschen
und Organisationen:
körperliche Gewalt, Sabotage, Kündigung, Mobbing
KALTER KONFLIKT
Motiviert durch Verhinderungsziele
Selbstbild: Schwäche, Wertlosigkeit
Haltung: „Der Klügere gibt nach!“
systemische Gewalt wird genutzt
verdeckte Austragungsformen
unsichtbare destruktive Energien
emotionale Staus führen zu ‚Implosionen‘ und Autoaggression
zynische Bemerkungen, Sarkasmus, Ironie
Schäden werden durch Strategie des Abtauchens nur bedingt beobachtet
unbesprechbare Themen und inoffizielle Tabus in Abteilungen bzw. Organisationen, ungelöste Probleme
besondere Risiken für Menschen
und Organisationen:
Lähmung, Trauer, Somatisierung/körperliche Beschweren, Sinnlosigkeit, Bürokratisierung, innere Kündigung, Depression, Burnout, Mobbing
Konfliktmanagement für Führungskräfte in Unternehmen – wichtig zu wissen!
Nur wenn Konflikte frühzeitig erkannt und benannt werden, können sie wirksam befriedet werden. Wie bei einer schlimmen Krankheit kann Früherkennung Projekte, Beziehungen und auch menschliche Einzelschicksale retten.
Es ist bei Streitigkeiten wie so oft im Leben: wer schreit, wird gehört, wer still bleibt, wird übersehen. Um auch auf kalte Konflikte reagieren zu können bevor diese eskalieren, müssen gute Führungskräfte für deren Signale Antennen haben. „Führungskräfte bemerken oft die indirekten und verdeckten Konflikte nicht […] – die heimlichen Kriege“, betont mein Mediations-Ausbilder Friedrich Glasl in einem seiner Artikel (Fußnote: Konfliktdynamik, 3. Jahrgang, Heft 2/2014, S. 101). Ein eskalierter Konflikt ist wesentlich schwieriger aus der Welt zu schaffen als eine frühe Form der Auseinandersetzung. Für ein wirtschaftlich denkendes Unternehmen bedeutet dies:
- der Zweck der Unternehmung ist zunehmend bedroht, sollte der Konflikt weiter eskalieren
- die Konfliktlösung dauert lange
- die Nachhaltigkeit der Lösung ist bei einem weiter eskalierten Konflikt unsicherer
- die Konfliktlösung verursacht hohe Kosten
- Kollateralschäden wie Kündigungen oder Burnout werden im Laufe einer Konflikteskalation wahrscheinlicher, was mit weiteren negativen Folgen für alle Beteiligten verbunden ist
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