2. Narzissmus verstehen

Von |2025-01-24T16:46:07+01:003. Dezember 2024|Allgemein, Narzissmus, Top|0 Kommentare
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NARZISSMUS VERSTEHEN

Narzissten wurden höchstwahrscheinlich in ihrer ersten Lebensphase traumatisiert.
Wenn sie dies nicht rechtzeitig erkennen und aufarbeiten, werden sie erwachsen und traumatisieren andere Menschen. Kern des Problems ist ein massives Selbstwertdefizit, das nicht gespürt werden darf.

WIE ENTSTEHT NARZISSMUS?

Auf der Seite Narzissmus erkennen und testen hast du gelesen, dass es sich bei Narzissmus zunächst um keine Störung handelt, sondern um ein Set an menschlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen, die wir alle in unterschiedlichen Ausprägungen haben: zu wenig davon ist genauso ungünstig wie zu viel!

Wir dürfen dem aktuellen Stand der Forschung nach davon ausgehen, dass Narzissmus einen genetischen Anteil hat (bis zu 50%). Eine stark narzisstische Phase ist davon unabhängig bei Kleinkindern als Teil der Ich-Entwicklung völlig normal. Wenn sie entdecken, dass sie ein eigenständiges Wesen sind, das nicht mit der Mutter oder der Umwelt verschmolzen ist. Doch ob sich narzisstisches Verhalten beim heranwachsenden Kind in extremem Maß ausprägt und später das Leben als Erwachsener bestimmt, hat weniger mit den Genen, sondern vor allem mit dem Umfeld zu tun.

Was es dafür braucht, da sind sich die unterschiedlichen Wissenschaften uneins: Psychologen schauen durch eine andere Brille als z.B. Soziologen, und es gibt mindestens ein Dutzend verschiedene Theorien über Narzissmus. Ich persönlich halte es mit der Traumatherapeutin Verena König und sehe die hauptsächliche Ursache von extremem Narzissmus in einer frühkindlichen Verletzung der Würde, des Selbstwerts oder auch des Körpers. Kinder, die auf allen Ebenen Mangel erlitten haben, suchen die Verantwortung dafür nicht bei den Eltern, die ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sind. Sie sind angewiesen auf ihre Eltern oder sonstige Erzieher und lieben sie trotzdem. Als Teil einer hochintelligenten Überlebensstrategie suchen sie jedoch die Schuld für das, was ihnen passiert, bei sich und hören auf, sich selbst zu lieben. Oder fangen gar nicht erst damit an. Die gesunde Selbstliebe brauchen wir jedoch alle, um uns zu reifen, ausgeglichenen, zufriedenen Erwachsenen zu entwickeln, die zugewandt, empathisch und verantwortungsbewusst sind und sich selbst auch mal zurückstellen können.

Die Überlebensstrategie narzisstisch verletzter junger Menschen entsteht unbewusst und führt zu einem lebenslangen tiefen Schamgefühl, das unbedingt abgewehrt werden muss. Daraus resultiert all das Tam-Tam, das wir gemeinhin „Narzissmus“ nennen und das anderen Menschen so großes Leid zufügt.

Wenn du mehr darüber erfahren willst, stöbere in meinem Blog oder hol dir das Buch Die Narzissmus-Bilanz.

NARZISSMUS ALS ZIVILISATIONSFOLGE

Unsere Vorfahren, die als Jäger, Fischer und Sammler unterwegs waren, kannten keinen Narzissmus. Sie konnten sich den Egotrip in einer Gesellschaft, deren Überleben von dem Gruppenzusammenhalt, dem Teilen und des einander Beschützens abhing, schlicht nicht leisten. Führung entstand damals nicht dadurch, dass jemand die größte Klappe hatte oder sich selbst auf einen Sockel stellte, sondern durch wahre Könnerschaft. So, wie es heute eigentlich auch sein sollte. Mit überheblichen Anführern, Möchtegern-Emporkömmlingen oder Egozentrikern wurde kurzer Prozess gemacht – sie wurden aus der Gruppe verstoßen. Erst nach der letzten Eiszeit vor rund 12.000 Jahren begannen die Menschen, sesshaft zu werden, Land einzuzäunen, Häuser zu bauen und in Besitztum zu denken. Es begann die Zeit, in der einzelne Menschen oder kleinere Familien in den eigenen vier Wänden auch ohne ihr „Rudel“ überleben konnten. Nach einer langen Phase, die ziemlich feministisch gewesen sein dürfte, entstand das Patriarchat. Aus Tauschhandel wurde Wirtschaftsdenken im Sinne von Gewinnmaximierung. Eigene Defizite abzustreiten, sich eine Maske zuzulegen, seinen tiefen Schmerz nicht zu zeigen, sondern ihn durch ein Gefühl von Größe, Besitz und Kontrolle zu überspielen, kam sozusagen in Mode bzw. wurde überhaupt erst möglich. Die hier ansatzweise beschriebene spannende Geschichte unseres Menschseins kannst du u.a. nachlesen in Rutger Bregmans Buch Im Grunde gut.

DU KANNST DICH LEBENSLANG ENTWICKELN

Vielleicht fragst du dich, wieso du dich so lange von einem extremen Narzissten hast manipulieren lassen? Vielleicht stellst du fest, dass du ein Kind narzisstischer Eltern bist, und etwas ausgeprägt hat, das sich „täterimitierendes Verhalten“ nennt. Es gibt noch viele „Vielleichts“ mehr, wenn Menschen mal ehrlich hinschauen, weshalb sie sind, wie sie sind. Egal ob „Opfer“ oder „Täter“ – wir alle haben ein neuroplastisches Gehirn, das sich zeitlebens verändern und entwickeln kann, und niemand hat Schuld an dem, was ihm zugestoßen ist. Auch der extreme Narzisst nicht. Wir brauchen ein neues Narzissmus-Narrativ und müssen aufhören, einander zu verteufeln. Das führt nirgendwo hin, schon gar nicht in eine Verbesserung als Menschen, als Wirtschaft und als Gesellschaft. Auch ich habe drei Jahre gebraucht, in denen ich lediglich auf extreme Narzissten geschimpft habe als Folge dessen, was ich erlebt habe. Wenn du die Abkürzung nehmen willst, wenn du dich selbst und andere besser verstehen willst und wenn du die Verantwortung für dein eigenes Fühlen, Denken und Handeln übernehmen willst, dann bist du bei mir richtig. Niemand muss seinen Weg alleine gehen – das haben unsere Vorfahren gewusst, und in unserer heutigen Zeit haben wir es leider häufig vergessen.

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Über den Autor:

Sylvia Pietzko arbeitet als Mental Health- und Business Coach, Organisationsberater und Mediator. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich damit, wie machtvolle Emotionen in privaten wie beruflichen Beziehungen wirken. Sylvia ist Autorin verschiedener Fachartikel sowie des eBook-Ratgebers „Win-Win dank Empathie: Erfolgreich kommunizieren im Job“, erschienen bei kreutzfeld digital. Hier schreibt sie über Wissenswertes rund um ihre Arbeit sowie über alles, was sie bewegt. Narzissmus wurde dabei 2020 zu ihrem Themenschwerpunkt. In Texten auf dieser Website wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit und der sprachlichen Ästhetik das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten sind dabei per Definition ausdrücklich mitgemeint, sofern es für die Aussage erforderlich ist.

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