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Geht es darum, dass Menschen sich bei ihrer persönlichen wie beruflichen Weiterentwicklung unterstützen lassen, herrscht babylonische Sprachverwirrung! Coaching ist Training ist Beratung ist Therapie ist Lebenshilfe ist von allem ein bisschen ist völliger Unsinn – ja was denn nun? Mit diesem Beitrag möchte ich die Begriffe sortieren und klarmachen, was Coaching ist, wie es sich abgrenzt und wo die Grenze unscharf wird.

Coaching klingt modern und dynamisch. Dabei leitet sich das Wort – ziemlich unmodern – von der Kutsche oder dem Kutscher ab und kann gemäß einer Studie von Steinke auf das Jahr 1911 zurückdatiert werden. Speziell in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren wurden verschiedene Fachdisziplinen in Coaching umbenannt, die Angebote wuchsen ins Unüberschaubare und die Frage, was Coaching ist und was nicht, drängte sich zunehmend stärker auf.

Ursachen der Sprachverwirrung rund um Coaching

Das Kuddelmuddel rund um den Begriff Coaching hat meiner Meinung nach folgende Ursachen:

  1. Alleskönner. Jede*r meint, er oder sie kann mitreden. Denn Coaching wird zunehmend inflationär verwendet und ist damit quasi in aller Munde. Einerseits finde ich das schön – meine Berufsbezeichnung ist bekannt, was mich beispielsweise vom Weinküfer unterscheidet! –, andererseits ist das eben ein Problem! Weil der Begriff landläufig oft falsch eingesetzt wird und keiner mehr weiß, was eigentlich gemeint ist. Auch die zum Teil selbsternannten Coaches nicht, so ist mein Eindruck. Es gibt ja heute nichts, was es nicht gibt: Business-Coaching, Diät-Coaching, Dragon-Coaching, Fahr-Coaching, Sex-Coaching (alle wach jetzt?) … Noch nie ein Coaching in Anspruch genommen? „Egal, ich weiß Bescheid, ich hab da mal ein YouTube-Video gesehen …!“ Keine zertifizierte Coaching-Ausbildung? Auch egal, der Begriff ist ja leider nach wie vor nicht geschützt. Schon beim relativ unspektakulären „Personal Coaching“ weiß niemand mehr sofort, was gemeint ist: Der Begriff deckt sowohl 1:1-Fitnesstraining ab, als auch Coaching zu persönlichen Lebensthemen, alternativ Life-Coaching genannt. Viel Spaß bei der Website-Optimierung für Google …
  2. Denglisch, oder genauer: Anglizismus. Man muss nicht Anglistik studiert haben um sofort zu hören: Coaching ist ein englischsprachiger Begriff. Und Google Translate spuckt nun mal als deutsche Übersetzung von „Coach“ das Wort „Trainer“ aus. Weitere Vorschläge sind „Reisebus“ oder „Repetitor“ – von „Prozessberater“, was einer deutschen Übersetzung dessen, was Menschen mit meiner Profession machen, noch am ehesten nahekommt, keine Spur. „Ich bin gecoacht worden“ heißt dann so viel wie „durch einen Trainer hab ich meine Fähigkeiten verbessert“, wenn wir bei der landläufigen Übersetzung bleiben. Da haben wir den Salat: Leute buchen unter Umständen ein Coaching und wundern sich dann, wenn sie ein Training bekommen. Andere Menschen wissen gar nicht, was „klassisches“ Coaching eigentlich ist und wissen so auch nicht, was ihnen möglicherweise weiterhelfen würde.

Lecker: Salat mit Gazpacho

Dann sortiere ich jetzt mal die Tomaten, die Zwiebeln und die Gurken, zumindest für den deutschsprachigen Bereich. Und um es vorwegzunehmen: Ja, die Disziplinen überschneiden sich bzw. haben Gemeinsamkeiten! Es gibt also heute nicht nur aufgeräumten Salat, sondern auch ein bisschen Gazpacho …

Couch oder Coach?

Couch oder Coach – was ist was?

Was ist Coaching?

Coaching ist eine partnerschaftliche und in jedem Fall freiwillige Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen einem Coach und einem gesunden – arbeitsfähigen – Klienten (auch Coachee genannt). Das Thema bringt der Klient mit, auch wenn es mit Hilfe des Coaches manchmal geschärft wird oder sich ein Ziel hinter dem Ziel herauskristallisiert. Dass sich im Coaching berufliche und private Fragestellungen mischen, ist völlig normal, denn wir sind ganze Menschen und die strikte Trennung von Work und Life, die funktioniert eben nicht. Der Coach ist dabei für den Prozess verantwortlich, der Klient für die Umsetzung. Coaching sollte als Faustregel pro Thema über zehn Zeitstunden nicht hinausgehen.

Ein Coach bleibt stets neutral. Nur auf ausdrücklichen Wunsch gibt er in Einzelfällen seine eigene Meinung zu einem Sachverhalt kund oder berät als Experte eines Fachthemas – keinesfalls schwingt er sich zum Profi für die Anliegen und Ziele, sprich, für das Leben seiner Klienten auf. Aufforderungen oder Tipps wie „übernehmen Sie endlich die Verantwortung für Ihr Leben“ oder „Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl!“ werden Sie von einem seriösen Coach nicht zu hören bekommen.

Grundannahme im Coaching:Die Experten für das Problem sind auch die Experten für die Lösung!“

Coaching im Unterschied zu Training (im deutschsprachigen Gebrauch)

Im Training gibt es stets einen, der es besser weiß und der sein Wissen weitergibt, der etwas zeigt oder vormacht: den Trainer oder Lehrer. Der Trainer treibt von hinten an oder führt von vorne. Augenhöhe ist nicht vorgesehen und auch nicht nötig. Ziel eines Trainings ist es, neues Wissen zu vermitteln, Erfahrungen weiterzugeben, Fähigkeiten zu entwickeln oder Ergebnisse zu verbessern.

Auch Coaching kann zum Ziel haben, Lernen zu ermöglichen, Potenziale zu entfalten und Leistung zu steigern, schließlich kommt der Begriff Coaching – siehe oben bei Ursache #2 – aus dem Leistungssport „und nicht aus dem Förderturnen“, wie eine meiner Ausbilderinnen mal sagte. Doch der Weg ist ein anderer als im Training: Als Coach im Verständnis eines Business-, Mental- oder Life-Coachs bin ich niemand, der Ihre Ziele definiert, der vorangeht und zeigt, wie etwas gemacht wird oder bestimmt, wie hoch die Latte heute hängt. Sondern ich unterstütze Sie dabei, Ihre eigenen Wünsche und Ziele selbst aufzudecken und praktikable Schritte für deren Erreichung zu entwickeln.

Coaching im Unterschied zu Beratung

Häufig werden auch die Begriffe Berater und Coach gleichbedeutend verwendet.

Zu unterscheiden ist hier jedoch die fachliche Beratung durch einen Experten von der Prozessberatung als gängige Umschreibung für Coaching.

Von einem Fachberater wird erwartet, dass er das Problem seines Kunden analysiert, erkennt und löst. Beispiele hierfür sind Steuerberater, Finanzberater oder der klassische Unternehmensberater. Formulierungen wie „Sie sollten …“ oder „… wäre das Beste für Ihre Firma“ sind in dieser Form von Beratung normal. Natürlich muss ich auch als Coach das Thema meines Klienten zumindest so verstehen, dass ich mit ihm arbeiten kann. Ich muss jedoch nicht zum Experten seines oder ihres Problems werden, um ihn oder sie z.B. durch Gedankenexperimente oder systemische Fragen dabei zu unterstützen, es aufzulösen.

Da es im Coaching stets um Augenhöhe geht und dieses Verhältnis in der Fachberatung doch eher kippt, mag die Alternative „Prozessberater“ für „Coach“ verwirrend klingen.

Persönlich bin ich hier selber gerne trennscharf und bleibe bei „Coach“, denn ich bin – neben meiner Rolle als Coach – auch als PR- und Organisationsberaterin unterwegs. Und selbst hier lassen sich wichtige Unterschiede ausmachen: Als PR-Beraterin bin ich die Expertin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sage, was richtig und was falsch ist; hier kann ich auch als Trainerin auftreten und Kunden beispielsweise beibringen, wie Social Media funktioniert.

Als Organisationsberaterin arbeite ich ganz anders bzw. vielseitiger und eher in der Haltung eines Coaches oder eines Mediators: Ich moderiere kritische Management-Meetings, führe Diagnosen bei Konflikten durch oder gestalte Workshops, in denen ich zwar den Fahrplan vorgebe, die Ergebnisse und teilweise auch die Inhalte jedoch selbst von Gruppen er- und bearbeitet werden. Rat-Schläge und eine Vorgehensweise, für die die Beraterbranche beispielsweise in dem Buch Goodbye McK… & Co von Ben Schulz und Edgar Geffroy stark kritisiert wird, die kann und mag ich nicht liefern.

Dennoch mischen sich in dieser Rolle Beratung, Training und Coaching am Stärksten.

Coaching im Unterschied zur Psychotherapie

Coaching ist keine Psychotherapie, auch wenn es stellenweise Gemeinsamkeiten gibt. Aufstellungsarbeit kann ich zum Beispiel sowohl im Coaching als auch in der Therapie anwenden. Und ernsthafte Lebenskrisen, die ein Fall für den Psychotherapeuten sind, hätten vielleicht im Voraus durch ein professionelles Coaching verhindert werden können. Ob externe Veränderungen oder innere Bewegungen, ob Sie zu etwas hin oder von etwas weg wollen – es braucht Kraft und Energie, um aus der Komfortzone auszubrechen. Coaching ist Arbeit – auch und insbesondere für den Klienten. Aus diesem Grund sollten sich nur körperlich und seelisch gesunde – arbeitsfähige – Menschen für ein Coaching entscheiden. Befinden Sie sich beispielsweise mitten in einer Depression, Suchterkrankung oder einem Burn-Out, oder haben Sie gerade einen sehr großen Schicksalsschlag erlitten, rät ein seriöser Coach zur Therapie. Eventuell kann es sinnvoll sein, die Therapie ab einem gewissen Stadium durch ein Coaching zu begleiten. Wenn ich im Vorgespräch oder in unserer ersten gemeinsamen Sitzung den Eindruck habe, dass Sie bei mir – im Coaching – nicht an der richtigen Adresse sind, dürfen Sie von mir erwarten, dass ich diese Vermutung auch offen anspreche.

Fazit:

Die Begriffslandschaft ist durch die beiden genannten Ursachen und die Tatsache, dass es hier und da „Gazpacho“ gibt – sowohl in der sprachlichen Vermischung der Disziplinen als auch bei deren häufig geteilten Maßnahmen und Interventionen – hügelig und wird es wohl auch bleiben. Ich hoffe, mein Beitrag dient zumindest als Geländer, an dem Sie sich entlangtasten können. Ob Coaching, Training, Beratung oder Therapie – dies alles funktioniert, es kommt jedoch stets auf Ihre individuelle Situation und auf Ihr Ziel an, was davon das Richtige ist. Es ist darüber hinaus natürlich jede*r frei, bei der eigenen Sprachregelung und Ansicht zu bleiben – denn keine der Berufsbezeichnungen ist wirklich geschützt.

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